Ich habe mich jetzt wirklich lange mit dem Volksbegehren auseinander gesetzt, viel gelesen, Pro und Contra. In meinem Umfeld habe ich Leute aus beiden Lagern. Und ich kriege speziell auf Facebook mit, wie die einen das Volksbegehren Artenschutz bejubeln, und die andere Fraktion, welche gerade massiv versucht hier gegen vorzugehen.
Für mich war eigentlich von Anfang an klar, dass ich das Ding unterschreibe. Und wer mich lange genug kennt, hätte auch nichts anderes von mir erwartet. Denn dafür bin ich einfach schon zu lange Vegetarier, Aktivist und war auf viel zu vielen Demos unterwegs zu genau solchen Themen.
Trotzdem war ich jetzt noch mal so frei, und habe mich mit den Contras auseinander gesetzt. Meist kommt da bei mir nur Kopfschütteln raus. Die Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten hat mich jetzt eher noch bestärkt, dass das Volksbegehren richtig ist. Denn sonst passiert die nächsten Jahre nicht das, was passieren muss um eine Wende einzuleiten.
Ich verstehe nicht, wie so viele Eltern und Großeltern nicht sehen, wie sie die Zukunft ihrer Kinder und Enkel verspielen. Augen zu, wird schon nicht so schlimm werden. Vielleicht kommt ja ein Zauberer und macht alles wieder heile. Oder ein Wissenschaftler erfindet Wundermittel gegen Plastik, CO2. Doch der wird nicht kommen und das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passieren. Zumindest nicht in den nächsten 10-20 Jahren. Und es wird auch kein Wunder geschehen. Und vor allem, haben wir nur diesen einen Planeten – Plan B fällt also schon mal aus. Wir können also, wenn alles im Arsch ist, auch nicht wo anders neu anfangen.
In Sachen Klimapolitik, Verkehr, Agrarwirtschaft hätten wir in Europa schon vor Jahren eine Vollbremsung hinlegen müssen. Doch das haben wir nicht getan. Seit 25 Jahren finden nun Klimakonferenzen statt auf denen beschlossen wird, was wir vielleicht mal irgendwann machen. Und wenn wir das nicht schaffen, dann verschieben wir es halt noch mal um 10, 20 oder 30 Jahre. Umso später wir als Gesellschaft die richtigen Weichen stellen, umso härter und drastischer wird die Vollbremsung und der kommende Aufprall, den wir dann vollziehen müssen.
By the way: Das heftige Dinge auf uns zukommen werden, steht laut Klimaforscher und Migrationsforscher schon fest. Und ich meine damit nicht die 1% die Donald T. berät, sondern die 99% weltweit, die keinen Zweifel daran lassen. Der Klimawandel kommt und selbst mit einer Vollbremsung könnten wir ihn nicht mehr verhindern. Die Frage ist nur, mit welcher Geschwindigkeit rauschen wir da rein und wie hart wird der Aufprall?
Und da rede ich jetzt noch nicht mal von den ersten abgesoffenen Inseln in der Südsee, der Trockenheit in Afrika und Amerika, den Überschwemmungen in Asien. Nein, vor unserer Haustür ist alles zu sehen… wenn man nur hinguckt. Die Landwirte werden immer weniger, und die Wenigen werden zu Fabriken mit Büros und Zäunen. Und das müssen sie auch, weil sie sonst nicht mehr wirtschaften können. Die Verbraucher stecken ihr Geld lieber in Autos, Reisen, Handys und holen sich dann das billigste Essen aus dem Supermarkt, weil sie sonst mit ihrem Geld nicht klar kommen.
Und kaum kommt die Sonne raus, wirft man das in plastikverpackte 1,99 Euro Steak und die 99 Cent Würstchen auf den teuren Supergrill für mehrere hundert Euronen. Und da wird dann gleich so viel gebrutzelt, dass es keiner mehr „dafressen“ kann (Wie man bei uns in Bayern sagt), und man noch schön den Mülleimer mit füttert, nebst Plastikverpackungen. Aber ich weiche ab, zurück zum Thema!
Wer schiebt euch denn die Schuld zu?
Mir tun die Bauern da ehrlich gesagt eher etwas leid, weil wir als gesamte Gesellschaft das verkackt haben und immer dachten, die Wissen schon was sie tun. Wir haben das geschehen lassen, dass mit viel Hilfe von Politik und Lobbyverbänden die Subventionen in die falsche Richtung gesteuert wurden. Nachhaltigkeit und Umwelt kommt da zu kurz. Sie sind ausgelegt auf immer mehr Wachstum und Konzentration auf das wenige Große, als auf das viele Kleine. Den Schaden, der damit angerichtet wird zahlt nicht der Produzent. Die Politiker und Lobbyisten haben ihre Schäfchen auch im Trockenen. Es bleibt an uns und vor allen an den zukünftigen Generationen hängen. Die Folgen werden uns alle betreffen und auch meine Generation wird das wohl noch erleben.
Klar liebe Landwirte, ihr steckt hier in einem System, welches vielleicht nie so gewollt war. Geiz ist in diesem Fall „un“-geil. Keiner will wirklich was zahlen für eure Schweine, eure Milch. Ihr baut neue Höfe, neue Ställe und braucht Kredite dafür. Es muss gewirtschaftet werden. Ich kenne viele Jungbauern, die da in einer Zwickmühle stecken – weil es anders nicht geht. Entweder so, oder gar nicht. Aber wie lange soll das denn noch so weiter gehen?
Ich schaue von meinem Schreibtisch aus direkt auf die Straße. Es gibt Zeiten, da fahren von Morgens bis Abends die Güllefässer vorbei. Ach was sag ich Güllefässer (bairisch: Odlfassl), es sind inzwischen Tankanhänger geworden. Und dann fahren sie hier vorbei im 15 Minutentakt um das Zeug los zu werden – tagelang. Und das ist nur der Weg vor unserem Haus vorbei. Eine Woche später fahren sie das Zeug in eine andere Richtung. Von Morgens bis Abends. Gülle aus der Biogasanalge, Gülle aus den Mastställen für Schweine und Kühe. 100.000 Liter am Tag werden da untertrieben sein. Und dann siehst du zu Zeiten tagelang die Bauern mit ihren Spritzanhängern, Feld für Feld. Wegspritzen was nicht hingehört.
Und da ich in meinem Büro schon in Vollzeit seit 11 Jahren sitze und in dem Haus seit über 40 Jahren wohne, sehe ich was auf der Straße den ganzen lieben langen Tag passiert, fallen mir solche Veränderungen eben auf. Denn früher war vielleicht nicht alles besser, aber es war bei weitem nicht so viel. Und dann schnapp‘ ich mir im Sommer mein Bike, fahr raus aus dem Dorf. Im Frühling ist alles gelb vom Raps, im Spätsommer siehst du dann fast nur noch Mais. Zwischendurch mal eine Wiese, oder Getreide. Und da wächst nur noch, was dort wachsen soll – alles andere wurde weg gespritzt.
Früher, wenn ich mit dem Auto nach München gefahren bin im Sommer, musste ich an der ersten Tankstelle öfers mal anhalten und die Windschutzscheibe von Insekten befreien, bevor es weiter ging. Heute fahre ich den ganzen Sommer durch, ohne Reinigung. Und abends mit dem Bike, brauch ich nicht mal mehr eine Brille wegen der Mücken und Fliegen. Geht ohne. Tja, und wenn ich seit 15 Jahren zum fotografieren fahre, auf Fluren und Feldern. Insekten muss ich inzwischen schon fast suchen. Und das was – wenn überhaupt – an Waldrand und Grünstreifen wächst, ist sehr eintönig und leer. Auch wenn von weiten alles grün aussieht, es ist einfach wenig bis gar kein Leben mehr drin.
Ich bin kein Landwirt
Ja, ich bin kein Landwirt. Jetzt könntet ihr sagen: „Was weiß denn der schon“? Ich bezeichne mich jetzt nicht als dumm, bin auf dem Land in der Natur aufgewachsen und lebe schon länger wieder im Dorf. Und ich mache Beobachtungen, habe die Augen offen und sehe, was um mich herum so passiert. Ich unterhalte mich mit Leuten die Ahnung haben, höhre ihnen zu. Und ich darf eine eigene Meinung haben. Oder? Auch wenn ich kein Landwirt bin? Und ich darf meine Meinung dazu auch äußern! Mir gefällt nämlich nicht, was ich hier so beobachte. Mir gefällt der Weg nicht, der hier eingeschlagen wurde. Und mein Gefühl sagt mir, das kann auch so nicht richtig sein.
Wer jetzt da genau alles schuld hat, ist mir ehrlich gesagt auch egal. Ich schiebe den Bauern nicht den schwarzen Peter zu. Ihr seid halt einfach nur arm dran, gefangen im System. Ein System, welches die Politik, die Verbände und vor allem die Agrargroßkonzerne wie Bayer, Monsanto und Co. mit ihren Lobbyisten aufgebaut haben. Und auch wir Verbraucher haben schuld, weil uns eure Produkte und eure Arbeit nichts mehr wert ist. Jetzt haben Leute wie ich, die kein Fleisch essen und keine Milch trinken (auch nicht im Kaffee) vielleicht etwas weniger Anteil daran, aber ich möchte mich trotzdem nicht aus der Verantwortung stehlen.
Es hilft halt leider nichts
Auch wenn jetzt alles dumm gelaufen ist, auch wenn vielleicht völlig unklar ist, wie das alles geregelt werden soll. Auch wenn ihr lieben Landwirte jetzt denkt, keiner hat euch lieb. So ist das nicht! Es hilf halt leider nur nix! Ein „weiter so“ bringt uns nur noch tiefer in die Scheiße. (Sorry für dieses Kraftwort, trifft es aber am Besten). Weil die Politik träge bis gar nicht reagiert, weil wir nicht drauf warten können bis in Brüssel vielleicht mal jemand aufwacht, weil wir nicht drauf warten können, bis der Bauernverband in 20 Jahren mal ein paar Schritte weiter gekommen ist in seinem Denken, und weil uns die Zeit davon läuft.
Darum unterschreibe ich dieses Volksbegehren Artenschutz!
Nicht um den Landwirten eine reinzuwürgen, sondern um Druck und Zwang auszuüben, damit die Weichen anders gestellt werden – JETZT! Und nicht erst wenn alles kaputt ist. Wir kriegen immer mehr Warnschüsse ab und wissen eigentlich alle inzwischen, dass der Weg so nicht richtig sein kann. Wir produzieren falsch, wir verbrauchen zu viel, wir verbrauchen die falschen Dinge, wir wirtschaften nicht nachhaltig. Und ich kann mich an kleine Demos erinnern, vor 10 Jahren – ja, da war das auch alles schon Thema. Und Vorträge, und Zeitungsartikel in denen das alles schon seit Jahren angeprangert wird. Und? Es passiert halt nix, und wenn – nur im Zeitlupentempo.
Und liebe Landwirte, wenn ihr sauer sein wollt – dann bitte seid sauer! Aber nicht auf uns Bürger, die versuchen mal ein paar Jahrzehnte voraus zu schauen und zu retten, was zu retten ist. Seid sauer, und zwar richtig – auf eure Bauernverbände und eure Lobbyverbände, die euch seit Jahrzehnten in diesen – meiner Meinung nach – komplett „falschen“ Weg mit hineingeführt haben. Ich glaube, wir bräuchten keine Futtermittelimporte aus Südamerika und keine Fleischexporte, wenn wir das System ändern. Veilleicht noch weniger Fleisch essen, mit der Milchwirtschaft zurück fahren, weniger Lebensmittel wegwerfen. Dann wären Landflächen wieder frei für die Natur.
Wir sollten jetzt handeln – Weil jetzt noch was zu retten ist!
Der Planet wartet schließlich auch nicht auf uns!